Gastbeitrag zum Geburtstagssymposium für Angelika Staehle

Vorwort von Beate Kunze.

Vielfalt und Einheit in der Psychoanalyse.

Liebe Leserin, lieber Leser,

in jedem Jahr veröffentlichen wir in einem Themenheft – Heft 3 des jeweiligen Jahres – ausgewählte Beiträge der vorjährigen Jahrestagung der VAKJP. Alternativ präsentieren wir Beiträge anderer Tagungen, z. B. der Tagung in Obergurgl, der EFPP-Tagung usw.
Diesmal freuen wir uns, Texte publizieren zu können, die im September 2021 als Vorträge während des Symposiums zu Ehren von Angelika Staehle gehalten worden sind.
Angelika Staehle war seit Heft 4/2001 Herausgeberin und Autorin unserer Zeitschrift. Sie ist KJP-Analytikerin sowie DPV-Analytikerin, die zwei Jahrzehnte Artikel im peer-review-Verfahren für uns evaluiert hat, die bedeutende Artikel (siehe Literatur) verfasst hat und Kontakte zu fremdsprachigen Autorinnen und Autoren vermitteln konnte. Mit ihrer engagierten Mitarbeit hat sie maßgeblich zu der hohen analytischen Qualität der Zeitschrift beigetragen.
»Zur Einheit der analytischen Methode von Kinder-und Jugendlichen-Psychotherapie und Erwachsenen-Analyse« war das Symposium überschrieben, und es erwarten Sie in diesem Heft sieben Artikel, die auch jeweils einen persönlichen und ehrenden Bezug von Autor oder Autorin zur Jubilarin aufweisen.
Den Symposiumsbeitrag von Virginia Ungar »The importance of the practise of child analysis for work with patients of any age« können Sie in hier auf unserem blog im englischen Original und in gekürzter deutscher Fassung nachlesen.

Die Bedeutung der Praxis der Kinderanalyse für die Arbeit mit Patienten in jedem Lebensalter.
Von Virginia Ungar, M.D.

Ich freue mich sehr, hier zu sein, um mit Ihnen, Kollegen und Freunden, meine liebe Freundin Angelika zu feiern.

Mit Angelika haben ich verschiedene Aufgaben geteilt und wir haben uns an vielen Orten und zu vielen Zeiten vor und während meiner Amtszeit als IPA-Präsident getroffen, aber es gab damals und gibt auch heute noch einen roten Faden, der uns zusammenhält: unsere gemeinsame Leidenschaft für die Psychoanalyse und insbesondere für die Kinderanalyse.

In Anbetracht unserer Gemeinsamkeiten als Kinderanalytiker und der Tatsache, dass wir nicht nur bei wissenschaftlichen Tagungen, sondern auch bei der Arbeit auf institutioneller Ebene viele Erfahrungen miteinander teilen konnten, habe ich beschlossen, meinen Vortrag auf die Bedeutung der Praxis der Kinderanalyse für die Arbeit mit Patienten jeden Lebensalters zu konzentrieren.

Wie Sie wissen, haben wir kürzlich den 52. IPA-Kongress unter dem Titel „Das Infantile und seine vielfältigen Dimensionen“ abgehalten. Er fand zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigung online statt, und wir hatten zwei Wochen lang einen intensiven Austausch. Ich kann sagen, dass es uns gelungen ist, dies zu ermöglichen: Wir hatten 1.850 Teilnehmer, und das Ergebnis hat unsere Erwartungen übertroffen. Es ist nach wie vor beeindruckend, dass wir trotz der großen Unterschiede zwischen Zeitzonen, Sprachen und Kulturen in verschiedenen Teilen der Welt einen Raum für psychoanalytische Diskussionen aus technischer, klinischer und theoretischer Sicht schaffen konnten. Da ich an vielen der Aktivitäten teilgenommen habe, kann ich auch sagen, dass alle Präsentationen und Debatten in hohem Maße zur Konzeptualisierung des Infantilen beigetragen haben.

Diese Debatten haben dazu beigetragen, dass alle Psychoanalytiker nicht nur in der Lage sind, das Infantile zu erkennen, sondern, dass ein wichtiger Teil unserer Arbeit darin besteht, Patienten jeden Lebensalters dabei zu helfen, den Kontakt zu ihrem infantilen Inneren wiederherzustellen, das sie verdrängt oder abgespalten haben, und dadurch den Kontakt zu dem Teil von ihnen verloren haben, der am freiesten, kreativsten, leidenschaftlichsten und empfänglichsten für neue Erfahrungen und die Auswirkungen der Schönheit der Welt ist. Das Erwachsenwerden hat oft den Preis, dass wir uns diesen Teil unseres Selbst (mit Argumenten, Erklärungen und allen Abwehrmechanismen, die uns zur Verfügung stehen) abzuschotten, um uns gegenüber dem Unbekannten zu verschließen.

Das Infantile ist seit den Ursprüngen der Freud‘schen Theorie präsent, da es von Anfang an im Begriff des verdrängten Unbewussten enthalten ist, das aus dem Infantilen stammt und das ganze Leben lang andauert. In der Tat können wir sehen, wie sich die Konzepte der infantilen Sexualität – die die Kultur ihrer Zeit revolutionierte – und der infantilen Neurose durch das gesamte Werk Freuds ziehen.

Das Aufkommen der Kinderpsychoanalyse verbunden mit den kontroversen,  leidenschaftlichen Debatten zwischen Anna Freud und Melanie Klein zwischen 1925 und 1927 war dann der Ausgangspunkt für die fruchtbaren Entwicklungen, die von zentralen Autoren der Theorie wie Esther Bick, Donald Winnicott, Serge Lebovici, Gilbert Diatkine, um nur einige zu nennen, gemacht wurden.

Es ist wichtig zu betonen, dass das Infantile nicht nur im Kind selbst enthalten ist. Es bleibt bestehen und hinterlässt seine Spuren bei Menschen jeden Lebensalters, sowie in der Kunst, etwa in der Musik, im Tanz, in der bildenden Kunst und in der Literatur.

Darüber hinaus kann es auch in der Funktionsweise aller Verbindungen und insbesondere in den Institutionen untersucht werden. Wir als psychoanalytische Institution sind davon nicht ausgenommen, und es ist wichtig, dies nicht zu ignorieren.

Ich persönlich sehe das Infantile als eine Kraft, die in uns lebendig sein kann und die die Quelle unserer Kreativität und unserer Fähigkeit ist, überrascht zu werden und, wie ich schon sagte, offen für das Neue zu sein. Florence Guignard definierte es während des Kongresses als „eine Grundstruktur des menschlichen Geistes“, die, wie sie sagte, in jedem von uns ein Leben lang lebendig und aktiv ist. Sie hat das Buch „Au vif de l’infantile“  (2016) geschrieben, das kürzlich auf Englisch bei Routledge unter dem Titel The Infantile in Psychoanalytic Practice Today (2021) erschienen ist.

Ihre zentrale Idee in diesem Buch ist, dass das Infantile lebendig und ein dynamischer Prozess ist, der sich ständig verändert. Sie untersucht detailliert den Platz des Infantilen in der analytischen Beziehung und beginnt mit der Wirkung, die das Infantile des Patienten auf den Analytiker selbst hat, die es ihm ermöglicht, sich mit dem Primitivsten im Analysanden durch einen Prozess zu verbinden, der sowohl identifikatorisch als auch relational ist.

Ihr Denken ist für mich kein Neuland. Als Analytikerin, die im späten zwanzigsten Jahrhundert in Argentinien ausgebildet wurde, erfuhr ich einen starken kleinianischen Einfluss. Ich begann meine Arbeit mit Kindern sehr früh in meiner Karriere, aber erst als ich begann, Kleins Beiträge zu studieren, hatte ich das Gefühl, dass ich in der Lage war, meine Arbeit mit Kindern zu verstehen und Werkzeuge dafür zu finden.

Ich möchte hier klarstellen, dass das Kernkonzept, auf das ich meine analytische Praxis stütze, in der Übertragung-Gegenübertragung-Beziehung des analytischen Prozesses zu finden ist.

Es gibt nichts Besseres, um meine Denkweise über den Beitrag der Kinderanalyse zur Arbeit mit Patienten jeden Lebensalters zu vermitteln, als ein Zitat aus einem Aufsatz von Melanie Klein (1955) aus dem Jahr 1955, in dem sie sagt:

„…meine Arbeit mit Kindern und Erwachsenen und meine Beiträge zur psychoanalytischen Theorie als Ganzes leiten sich letztlich von der Spieltechnik ab, die ich mit kleinen Kindern entwickelt habe. Damit will ich nicht sagen, dass meine spätere Arbeit eine direkte Anwendung der Spieltechnik war; aber die Einsicht, die ich in die frühe Entwicklung und in die Art der Interpretationen, mit denen man sich dem Unbewussten nähern kann, gewonnen habe, hatte einen weitreichenden Einfluss auf die Arbeit, die ich mit älteren Kindern und Erwachsenen geleistet habe.“

Um nun auf meinen ursprünglichen Vorschlag zurückzukommen, muss ich sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass die Praxis der Kinderanalyse ein geeignetes Instrument ist, um die Entwicklung der Empfänglichkeit eines Analytikers für die Übertragungsarbeit sowohl mit kindlichen als auch mit erwachsenen Patienten zu fördern, und eine Möglichkeit, unsere Effektivität als erwachsene Analytiker zu verbessern. Die analytische Arbeit mit Kindern erfordert vom Analytiker, sich selbst als therapeutisches Instrument einzustellen, d. h. seine Sensibilität zu entwickeln, auf die nonverbale Kommunikation des Kindes zu „hören“ und seine Übertragungen auf uns zu verstehen, indem er unsere oft intensiven Gegenübertragungen untersucht.

Aufgrund meiner Erfahrungen in der Längsschnittbeobachtung von Säuglingen mit der Methode von Esther Bick und in der psychoanalytischen Behandlung von Patienten aller Lebensalter bin ich der Meinung, dass der Mensch schon sehr früh die Fähigkeit hat, zu beobachten, aber beim Eintritt in die Kultur – in die Bereiche des rationalen Logos – wird ein sehr hoher Preis gezahlt, der sich in der nachlassenden Fähigkeit zur Beobachtung aus neurotischen oder psychotischen Gründen zeigt. 

Um noch einmal auf die Kinderanalyse zurückzukommen: Kinder, die heute zu uns kommen, sind häufig schwer krank und haben aufgrund ihrer Entwicklungsprobleme und -verzögerungen oder aufgrund von Sprachdefiziten oft Mühe, Worte für ihre Gedanken und Gefühle zu finden. Die analytische Begegnung mit solchen kleinen Kindern zwingt uns dazu, zu versuchen zu verstehen, was wir beobachten, so dass wir zu Hypothesen gelangen, die wir entweder durch wiederkehrende Muster bestätigen oder durch das Auftauchen neuer, dissonanter Elemente widerlegen können.

Esther Bick leistete 1941 einen wichtigen Beitrag in ihrem Artikel Child Analysis Today (1941). Sie unterstrich den enormen Stress, der dem Kinderanalytiker durch die starken Gegenübertragungsphänomene, die durch kindliches Material hervorgerufen werden, entsteht. Bick vertrat die Ansicht, dass solche Gegenübertragungsphänomene für einen Kinderanalytiker relativ stärker sind als für einen Erwachsenenanalytiker.

Hier finden wir Bicks Ermutigung für alle Psychoanalytiker, die Kinderanalyse zu praktizieren, wenn sie sagte, dass ihrer Meinung nach der Kinderanalytiker eine viel größere Überzeugung von der Realität der unbewussten Phantasie gewinnt als in der analytische Arbeit mit Erwachsenen.

Ich möchte nun auf die gemeinsame Geschichte zurückkommen, die wir mit Angelika haben, eine Freundschaft, die aus der gemeinsamen Leidenschaft für die Kinderpsychoanalyse und für die Weitergabe der Psychoanalyse im Allgemeinen entstanden ist.

Angelika stand dem IPA-Komitee für Kinder- und Jugendpsychoanalyse (COCAP) immer nahe und nahm viele Male an wissenschaftlichen Tagungen der IPA und der EPF zu diesem Thema teil, während sie auch mit Begeisterung das Ausbildungsprogramm für Kinder- und Jugendpsychoanalyse in ihrer Gesellschaft, der DPV, förderte. Wie ich bereits sagte, haben wir gemeinsam an zahlreichen Kongressen rund um den Globus teilgenommen, und 2009 lud sie mich zum ersten Mal ein, auf der DPV-Herbsttagung zu sprechen und einen Vortrag im Forum zur Kinderanalyse zu halten.

Ich habe auch den Eindruck, dass zwischen uns eine Art „Schwesternschaft“ besteht, die auf der Tatsache beruht, dass wir beide bei Donald Meltzer in Supervision waren, und seine Ideen in Bezug auf die Bedeutung der Beobachtung von Säuglingen und die Praxis der Psychoanalyse bei Kindern sind, so könnte ich sagen, in uns verinnerlicht oder eingebettet.

Im Jahr 2015 wurde ich zur Präsidentin der IPA gewählt, ein Amt, das ich im Juli 2017 antrat, und zu diesem Zeitpunkt beschlossen wir zusammen mit Sergio Nick, der in dieser Amtszeit, die im Juli dieses Jahres endete, Vizepräsident war, Angelika einzuladen, den Vorsitz des Ausschusses für psychoanalytische Ausbildung zu übernehmen, dem sie seit 2014 angehörte. Wir hatten großes Glück, dass sie das Amt annahm, wohlwissend, dass ihre Aufgabe nicht einfach sein würde, denn am letzten Tag der vorherigen Amtszeit hatte der Vorstand eine Änderung des Eitingon-Modells beschlossen und die Option einer Sequenz von 3-5 wöchentlichen Sitzungen für die analytische Ausbildung akzeptiert, anstatt wie zuvor nur von 4-5 Sitzungen pro Woche.

Wir alle wissen, dass diese Entscheidung eine gewisse Turbulenz und Unruhe auslöste, die manchmal offen und respektvoll, manchmal aber auch mit großer Feindseligkeit zum Ausdruck gebracht wurde.

Angelika arbeitete unermüdlich und mit großer Intelligenz und Kreativität und leitete eine hochkarätige Gruppe mit Mitgliedern aus allen Regionen. Sie war in der Lage, den kritischen Ansturm zu bewältigen, eine respektvolle Atmosphäre aufrechtzuerhalten und die Arbeit des Ausschusses jederzeit am Laufen zu halten.

Darüber hinaus haben wir mit dem Einverständnis von Angelika das Wort „Oversight“ aus dem Namen des Komitees, das zuvor „Committee for Education and Oversight“ hieß, gestrichen, da uns die Verwendung des Wortes „Oversight“  nicht angemessen erschien.

Gleichzeitig beschloss ich aufgrund des Aufruhrs, den die Änderung der Häufigkeit von vier auf drei bis fünf Sitzungen pro Woche für Analyse und Ausbildungssupervision in einigen Gesellschaften verursachte, eine Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus den verschiedenen Regionen und den drei von der IPA anerkannten Ausbildungsmodellen zu bilden. Sie trug den Namen „Task Force on Collegial Quality Enhancement“  und wurde von Eike Hinze geleitet.

Wie der Name schon sagt, wurde die Task Force eingesetzt, um die Art und Weise der Ausbildungsevaluierung zu überprüfen und ein Modell zu entwickeln, das weniger von oben nach unten und mehr nach dem Modell der Peer-Evaluierung ausgerichtet ist.

Die Task Force hat eine Weile mit dem Psychoanalytic Education Committeee (PEC) zusammengearbeitet und konnte sich im März 2019 für ein paar Tage persönlich treffen. Auf der Grundlage ihrer Empfehlungen hat der PEC ein Programm mit der Bezeichnung „Meeting of Societies on Education“ (PEC-Pilotprojekt) entwickelt, das sich derzeit erfolgreich entwickelt und auf dessen Grundlage sich die Leiter und Kandidaten von drei Gesellschaften bei regionalen und internationalen Kongressen treffen.

Hier zeigt sich einmal mehr die Führungsstärke von Angelika; ihre Fähigkeit, Ruhe zu bewahren, die Möglichkeit, auch inmitten des Sturms zu denken und Vorschläge voranzutreiben.

Und wenn wir schon von Stürmen sprechen, so haben wir natürlich alle die humanitäre Tragödie der Pandemie miterleben müssen. Trotz dieser äußerst schwierigen Situation konnten Angelika und ihr Ausschuss im Jahr 2020 dreimal zusammentreffen und schnell und effizient zusammenarbeiten, als wir gezwungen waren, die Voraussetzung für die Durchführung von Ausbildungsanalysen von Angesicht zu Angesicht bis auf weiteres auszusetzen.

Die Qualität, in Krisenzeiten führen zu müssen, beruht meines Erachtens auf der Möglichkeit, den eigenen Prinzipien treu zu bleiben, und auf der Fähigkeit, die Balance zu halten zwischen der Aufrechterhaltung der wesentlichen Prinzipien der Psychoanalyse und der Flexibilität, die notwendig ist, um bei Bedarf vor Ort Modifikationen oder Veränderungen vorzunehmen. Angelika verfügt über all diese Eigenschaften und genießt deshalb nicht nur meinen Respekt, sondern auch meine Bewunderung.

Abschließend möchte ich mich auf das Thema der Integrierten Ausbildung konzentrieren, ein Thema, an dem ich von 2009 bis 2015 gearbeitet habe, als die Möglichkeit für jedes Institut oder jede Mitgliedsorganisation genehmigt wurde, ein Integriertes Ausbildungsprogramm unter der Definition anzubieten, die die Grundlage für ein solches Programm bildet: ein zusätzlicher und optionaler Weg für die IPA-Ausbildung, um ein anerkannter Erwachsenen-, Kinder- und Jugendanalytiker zu werden.

Damals wurde ein Vorschlag gemacht, der die Grundlage für das bildete, worüber ich heute mit Ihnen sprechen möchte. Er beruht auf der festen Überzeugung, dass alle Analytiker sich stärker mit der kindlichen Entwicklung und dem Funktionieren des Kindes sowie mit dem stets präsenten kindlichen Anteil im Erwachsenen und seiner Dynamik auseinandersetzen sollten. Zwei Themen, die Angelika sehr interessieren – Interessen, die ich zutiefst mit ihr teile – kommen in diesem Vorschlag zusammen: Kinderpsychoanalyse und analytische Ausbildung.

Für mich ist die Verbindung zwischen den beiden Themen eine natürliche. Der Kinderanalytiker setzt seine Praxis oft bis ins hohe Lebensalter fort, und was, wenn nicht die Leidenschaft, wird sie am Laufen halten? Das Gleiche gilt für die Weitergabe der Psychoanalyse: Wir geben Konzepte und Wissen weiter, aber vor allem die Leidenschaft für das, was wir tun und wie wir es tun. In der Tat glaube ich, dass das Wichtigste, was wir weitergeben, die analytische Haltung selbst ist.

Von Bion haben wir gelernt, dass Lernen nicht die bloße Anhäufung von Wissen ist, sondern das Erleben und Verarbeiten einer emotionalen Erfahrung – immer in Beziehung zu einem anderen und nicht frei von Ambivalenzen -, die sowohl den Lehrenden, als auch den Lernenden, verändern wird.

Donald Meltzer (1971) ging so weit zu sagen, dass man in unserem Beruf nicht lehren, sondern „das Lernen erleichtern“ kann (S. 270), ein Gedanke, der ihn dazu veranlasste, ein Workshop-System vorzuschlagen als „einen Ort, an den jeder, der etwas zu lehren hatte, gehen konnte und an dem jeder lernen wollte“.

Als Vorbild nannte er Raffaels Meisterwerk Die Schule von Athen, in der die einflussreichsten Philosophen, Dichter und Denker des antiken Griechenlands mit anderen Menschen, einschließlich der Jugend, zusammenkommen.

Was den spezifischeren Begriff der Übertragung angeht, so wurde das Thema in der klassischen psychoanalytischen Literatur von Freud mit seiner „Kommunikation von Unbewusstem zu Unbewusstem“ behandelt, gefolgt von Kleins „projektiver Identifikation“ und Bions „Traumfunktion“, um nur einige zu nennen. Dann kamen die neueren Entwicklungen derjenigen, die auf dem Gebiet der transgenerationalen Übertragung arbeiten (Kaes, Faimberg und Roussillon).

Ich muss jedoch sagen, dass die Frage, wie die Übertragung zustande kommt, etwas rätselhaft erscheint: Wie kommt die Übertragung zustande? Welche Mechanismen werden verwendet?

Und: Was geschieht mit dem, was wir übertragen? Und hier erinnern wir uns an Freud, als er seinen Grundriss der Psychoanalyse (1940) mit einem Zitat aus Goethes Faust beendete, das er bereits 1912 verwendet hatte: „Was du von deinen Vätern geerbt hast, erwirb es, um es zu deinem zu machen“.

Es stellen sich weitere Fragen: Warum wird das, was weitergegeben wird, angenommen? Wird es so angenommen, wie es ankommt? Oder macht man sich die Arbeit, es sich zu eigen zu machen, es zu erobern?

Ich verstehe, dass das von Freud verwendete Zitat uns vor eine Herausforderung stellt: nämlich sein Werk, wie auch das der Autoren, die ihm folgten, als Sicherheitsnetz zu verstehen, das uns nicht umgarnen, sondern vielmehr helfen soll, den Boden zu bilden, aus dem neue Entdeckungen aufsteigen. Damit dies geschehen kann, motiviert uns das „Überlieferte“, das „Ererbte“, uns dazu es sich in persönlicher Arbeit anzueignen.

Wenn dies gelingt, kann anstelle eines sterilen Gegensatzes zwischen den psychoanalytischen Schulen, die Arbeit an den Unterschieden vorangetrieben werden, ohne einem verlockenden Eklektizismus noch einem leichtfertiges Festhalten am Übernommenen zu erliegen.

Literaturhinweise

Bick, E. (1941) Child Analysis Today, Kapitel 7, Collected papers of Martha Harris and Esther Bick, Clunie Press, Schottland, 1987

Freud, S. (1940 [1938] An outline of Pyschoanalysis, vol. XXIII, Standstard Edition, The Hogarth Press, London, 1968.

Guignard, F. (2016) Au vif de línfantile: Reflexions sur la situation analitique, Itaque Editions, 2016.

Guignard, F. (2021) The Infantile in Psychoanalytic Practice Today, Routledge, 2021.

Klein, M. (1955) The Psychoanalytic Play Technique: Ihre Geschichte und Bedeutung, The Writings of Melanie Klein, Bd. III, The Hogarth Press, 1975

Meltzer, D. (1971) Towards an atelier system, Karnac Books, London, 1994.

Symposium in honour of the 80th birthday
of Angelika Staehle

The importance of the practice of child analysis for work with patients of any age.
By Virginia Ungar, M.D.

I am very glad to be here joining you in celebration of my dear friend, Angelika. We were supposed to have met last year in Frankfurt but, as we all know, the Conference had to be cancelled due to the Covid-19 pandemic. Now it is taking place, but unfortunately it won’t be possible for me to join you in person. The situation regarding Covid-19 is still quite bad in Argentina. I am lucky to have had the two doses of my vaccine, but as yet it is uncertain when we will be able to travel again. Anyway, thanks to online platforms such as this I am able to celebrate with you, colleagues and friends, Angelika’s anniversary. With her, we shared different tasks and met in many places and times before and during my term as IPA President but there was then and still is now a thread that keeps us together: our common passion for psychoanalysis and especially for child analysis. We built up a friendship that is very important to me. Even if you know her very well, I need to say that Angelika is a remarkable woman, a professional fully committed to Psychoanalysis, a sensitive clinician, an ethical person and somebody who is always available to listen. Taking into account our common ground as child analysts and the fact that we’ve shared many spaces not only during scientific meetings but also working at the institutional level, I decided to focus my talk on the importance of the practice of child analysis for work with patients of any age. I am sure that Angelika will coincide on some points and I will of course welcome her input and comments as well. As you know, we recently held the 52nd IPA Congress under the title ‘The Infantile and its multiple dimensions’. It was online for the first time in the history of the association and we had two weeks of intense exchanges. I can say that we succeeded in making it possible: we had 1850 attendees and the outcome went beyond our expectations. It is still striking that, even if we are in different parts of the world, with huge differences between time zones, languages and cultures, we were able to create a space for psychoanalytical discussions from technical, clinical and theoretical perspectives. As I participated in many of the activities, l can also say that all presentations and debates contributed in a great way to the conceptualisation of the infantile.

These debates helped to reinforce the importance for all psychoanalysts to be able not only to recognise the infantile, but also the idea that an important part of our work is that of helping patients of all ages re-establish contact with the infantile within from which they have become separated, losing contact with that part of them which is the freest, most creative, most passionate, and most receptive to new experiences and the impact of the beauty of the world. Becoming an adult often comes at the price of closing off these spaces (with arguments, explanations and all the defence mechanisms in our armoury), to the possibility of exposing ourselves to that of which we know nothing. The infantile has been present right from the Freudian origins of the theory, being included from the very start in the notion of the repressed unconscious derived from the infantile and lasting the whole life long. Indeed, we can see how the concepts of infantile sexuality – which revolutionised the culture of its time – and infantile neurosis run through all of Freud’s work. The advent of child psychoanalysis in controversial circumstances was registered in the passionate debates that took place between Anna Freud and Melanie Klein between 1925 and 1927 and this was the springboard for the fruitful developments made by authors central to the theory, such as Esther Bick, Donald Winnicott, Serge Lebovici, Gilbert Diatkine, to name but a few. It is important to underline that the infantile is not contained solely in the child. It persists and leaves its marks on people of all ages as well as in art like in music, dance, the visual arts and literature. Furthermore, it can also be studied in the functioning of all the links and most especially in institutions. We, as a psychoanalytic institution, are not exempt and it is important not to ignore this. I personally see the infantile as a force which can be alive in us and which is the source of our creativity and of our capacity to be surprised and, as I have said, to be open to the new. Florence Guignard defined it during the congress as “a basic structure of the human mind” which is, she said, alive and active in each one of us for the whole of our lives. She wrote the book Au vif de l’infantile (2016) that was published recently in English by Routledge as The Infantile in Psychoanalytic Practice Today (2021). In the book, her central idea is that the infantile is alive and is also a process that is dynamic and in constant change. She sets about studying in detail the place of the infantile in the analytic relationship and starts off with the impact that the infantile of the patient has on the analyst and the effect of the infantile on the therapist themselves which allows them to connect with the most primitive in the analysand through a process which is both identificatory and relational. Her thinking is not new ground for me. As an analyst trained in Argentina in the late twentieth century, I experienced a strong Kleinian influence. I started my work with children very early in my career, but it was only when I started studying Klein’s contributions that I felt that I was able to understand and find tools for my work with children. I would like here to clarify that the core concept on which I base my analytic practiceis to be found in the transference-countertransference relationship of the analytic process. There is nothing better to convey my way of thinking about the contribution of child analysis to work with patients of any age than a quote from a paper by Melanie Klein (1955) from 1955 where she says “…my work with children and adults and my contributions to psychoanalytic theory as a whole derive ultimately from the play technique evolved with young children. I don’t mean by this that my later work was a direct application of the play technique; but the insight I gained into early development and into the nature of interpretations by which the unconscious can be approached, has been of far reaching influence on the work I have done with older children and adults” Now, going back to my initial proposal I must say that I am convinced that the practice of child analysis is an appropriate instrument to foster the development of an analyst’s receptivity to transference work with both child and adult patients and a way of enhancing our effectiveness as adult analysts. Analytic work with children requires the analyst to tune themselves as a therapeutic instrument, that is, to develop their sensitivity, to ‘listen’ to the child’s nonverbal communications, and to understand their transferences to us by studying our often intense countertransferences. Based on my experience in longitudinal observation of babies using Esther Bick’s method and in the psychoanalytic treatment of patients of all ages, I believe that the human being has the power from very early on to observe but, on accessing culture – into the realms of the rational logos – a very high price indeed is paid and this can be evidenced in the diminishing capacity for observation for neurotic or psychotic reasons.  Going back to child analysis, children who come to us these days are frequently seriously ill, often struggling to find words for their thoughts and feelings because of their developmental challenges and delays, or because they have language deficits. The analytic encounter with such small children forces us to try to understand what we are observing, so that we can arrive at hypotheses that we will either confirm by pattern recurrences, or refute by the emergence of new, dissonant elements. Esther Bick, provided an important contribution in her 1941 article entitled Child Analysis Today (1941). She underscored the enormous stress caused to the child analyst because of the powerful countertransference phenomena that are evoked by child material. It was Bick’s view that such countertransference phenomena are relatively more impactful for a child analyst than an adult analyst. There we can find Bick’s encouragement for all psychoanalysts to practice child analysis, which is nicely summarized when she asserted that, in her view, the child analyst gains a much greater conviction of’ the reality of unconscious fantasy than does analytic work strictly with adults. I would like now to go back to the common history that we have with Angelika, a friendship which was born out of the passion that we share for child psychoanalysis and for the transmission of psychoanalysis in general. Angelika was always close to the IPA Committee on Child and Adolescent Psychoanalysis (COCAP) and participated many times in scientific meetings of the IPA and the EPA on the topic while also enthusiastically promoting the Child and Adolescent Psychoanalysis Training Programme in her society, the DPV.  As I have already said, we have been together at numerous congresses around the globe and in 2009 she invited me to speak to the DPV Autumn Conference for the first time to present a paper in the Forum on Child Analysis. It also seems to me that there exists a kind of ‘sisterhood’ between us based on the fact that we both studied with and were supervised by Donald Meltzer, and his ideas with respect to the importance of infant observation and the practice of psychoanalysis in children are, I could say, internalised or embedded in us. In 2015 I was elected president of the IPA, a role that I took up in July of 2017 and at that time, with Sergio Nick who was Vice-President for that term which finished in July of this year, we decided to invite Angelika to be the Chair of the Psychoanalytic Education Committee which she had been a member of since 2014. We were very lucky that she accepted the position, knowing that her job was not going to be easy as, on the final day of the previous administration, the Board had approved a change in the Eitingon Model, accepting the option of a 3-5 session frequency for analytic training. We all know that decision generated a certain turbulence and unease and this was sometimes expressed in an open and respectful way, and other times with great hostility. Angelika worked in a tireless manner and with great intelligence and creativity, leading a distinguished group with members from all regions and was able to manage the critical onslaught and maintain a respectful atmosphere and keep the work of the Committee going at all times. Moreover, with the agreement of Angelika, we removed the word ‘oversight’ from the name of the Committee previously called the Committee on Education and Oversight as we were uneasy with the use of ‘over’ when it came to the postgraduate training where all the candidates are professionals that we ask to work in psychoanalysis with patients. At the same time, and as a result of the turmoil caused in some societies in the wake of the change of frequency from 4 to 3-5 sessions a week for analysis and training supervision, I decided to organise a task force with members from the different regions and from the three training models recognised by IPA. It was called the Task Force on Collegial Quality Enhancement and was chaired by Eike Hinze. As the name indicates, the Task Force was set up to review the way in which training evaluation was carried out and also to look into a model which was less top-to-bottom and closer to peer evaluation. The Task Force worked together with the PEC for a while and managed to meet face-to-face for a couple of days in March 2019 and, based on their recommendations, the PEC created a programme called the Meeting of Societies on Education (PEC Pilot Project) which is currently undergoing successful development and on the basis of which the leaders and candidates from 3 societies meet during regional and international congresses. It is here that, once again, we see the proof of Angelika’s leadership, her ability to maintain calm, the possibility to think and carry proposals forward even in the middle of the storm. And speaking of storms, we have of course all had to pass through the humanitarian tragedy that is the pandemic. In spite of this most difficult of situations, Angelika and  her Committee were able to meet three times in 2020 and cooperated in a rapid and efficient way when we were obliged to suspend until further notice the prerequisite for training analysis to be carried out face-to-face. The quality of having to lead in times of crisis is, I believe, based on the possibility of being loyal to your own principles and the ability to maintain a balance between upholding the essential principles of psychoanalysis and the flexibility necessary to make on-the-spot modifications or changes where needed. Angelika has all these qualities and for that reason not only has my respect, but also my admiration. Finally, I would like to focus on the topic of Integrated Training, a topic I worked on from 2009 to 2015 when approval was given for the possibility for every Institute or Component Organization to offer an Integrated Training Program under the definition that forms the foundations of such a programme: an additional and optional track for IPA training, in order to become a recognized adult, child and adolescent analyst. It was at that time that a proposal was made which formed the basis of what I wanted to talk to you about today. It is based on a strong conviction to promote the greater exposure of all analysts to child development and child functioning, as well as the ever-present infantile part in the adult and its dynamics. Two topics which interest Angelika greatly – interests I share deeply with her – come together in this proposal: child psychoanalysis and analytic training. For me, the link between the two issues is a natural one. The child analyst often continues practice into old age and what if not passion will keep it going? The same happens with the transmission of psychoanalysis: we pass on concepts, knowledge but more than anything the passion for what we do and how we do it. In fact, I believe the most important thing that we pass on is the analytic attitude itself. We understand from Bion that learning is not the mere gathering of knowledge, but passing through an emotional experience – always in relation to another and not free of ambivalence – which will transform both the one who teaches and the one who learns. Donald Meltzer (1971) went as far as to say that, in our profession, you cannot teach but “facilitate learning” (P. 270), an idea that led him to propose a workshop system as “a place where anyone who had something to teach could go and where everyone wanted to learn”. He put forward as a model Raphael’s masterpiece The School of Athens where the most influential philosophers, poets and thinkers of ancient Greece gather with other people, including the young. Turning to the more specific term of transmission, in classical psychoanalytic literature the topic was written about by Freud with his “communication from unconscious to unconscious” and followed by Klein’s “projective identification” and Bion’s “reverie function”, to name but a few. Then came the more contemporary developments from those working in the area of transgenerational transmission (Kaes, Faimberg, and Roussillon with the primitive conversation). I must say, however, that there seems to be some mystery when we ask ourselves: How does the transmission come about? What mechanisms are used? Moreover, what happens to what we transmit? And here we remember Freud when he finished his An Outline of Psychoanalysis (1940) with a quotation from Goethe’s Faust which he had previously used in 1912: “What thou hast inherited from thy fathers, acquire it to make it thine”. More questions arise: Why is that which is transmitted accepted? Is it taken in just as it arrives? Or is the work done to make it one’s own, to conquer it? I understand that the quotation used by Freud presents us with a challenge: that of understanding his work, like that of the authors who followed him, as a safety net, one which should not ensnare us but, rather, help form ground from which new discoveries surge. For this to happen, that which is ‘transmitted’, ‘inherited’, that which is handed down to us, motivates us to carry out personal work in order to appropriate that which is there. One’s own mark will be, therefore, the work done to ‘make one’s own’ that which is transmitted, inherited, constituting the tension between that which is transmitted and the act itself. If some of this can be achieved, instead of sterile opposition between schools of psychoanalysis, work can advance on differences which allow for neither tempting eclecticism nor facile adhesion.

Many thanks!

References

Bick, E. (1941) Child Analysis Today, chapter 7, Collected papers of Martha Harris and Esther Bick, Clunie Press, Scotland, 1987

Freud, S. (1940 [1938] An outline of Pyschoanalysis,   vol. XXIII, Standstard Edition, The Hogarth Press, London, 1968.

Guignard, F. (2016) Au vif de línfantile: Reflexions sur la situation analitique, Itaque Editions, 2016.

Guignard, F. (2021) The Infantile in Psychoanalytic Practice Today, Routledge, 2021.

Klein, M. (1955) The Psycho-analytic Play Technique: Its History and Significance, The Writings of Melanie Klein, vol III, The Hogarth Press, 1975

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